Familie Dr. Arnold Sandler

Recha und Arnold Sandler © Yad Vashem, Israel

Der Zahnarzt Dr. Arnold Sandler wurde am 27.11.1897 in Schwedt geboren. Er war der Sohn des Zahnarztes Neumann Sandler und Jeanette, geb. Häutemann. Dr. Sandler zog 1925 nach Gunzenhausen, wo er zunächst in der Wiesenstraße 15 (heute Rot-Kreuz-Straße) wohnte.

Im Juni 1926 eröffnete er in der Bahnhofstraße 30 seine Praxis.
Im November 1931 zog er in sein neu erbautes Haus in der Bahnhofstraße 36 um und führte dort seine Praxis weiter. Doch schon am 29.07.1935 beschloss er die Stadt zu verlassen und zog nach Stuttgart.

Quelle: Personendokumentation der jüdischen Einwohner von Gunzenhausen erstellt von Stadtarchivar Werner Mühlhäußer



Im Jahr 1933 war jüdischen Zahnärzten die Kassenzulassung aberkannt worden. Auch Dr. Sandler war davon betroffen.

Ihn haben, wahrscheinlich ebenso wie den jüdischen Arzt Dr. Karl Rothschild, auch die drei Morde von 1934 an jüdischen Einwohnern und die Anpöbelungen, denen er plötzlich ausgesetzt war, dazu veranlasst, seine neue Praxis aufzugeben.

Bahnhofstraße 36 kurz nach dem Verkauf an Familie Daum 1938

Das Haus verkaufte Arnold Sandler im Mai 1936 an Martin Daum. Bis heute wohnt die Familie Daum dort und hat noch alle Dokumente und Briefe aus dieser Zeit aufbewahrt.

Anhand eines Schreibens des Frankfurter Polizeipräsidiums vom 28. März 1951 an Herrn Georg Daum fanden wir heraus, dass Dr. Arnold Sandler mit Recha Sandler, geb. Wolf, verheiratet war.

Suchstelle für Ausländer 33

Frankfurt am Main, den 28.03.1951
B. Nr. 1179

Betr.: Eheleute Dr. Arnold Sandler und Recha, geb. Wolf.
Kaufmann Wilhelm und Leo Wolf.

Bezug: Schreiben vom 16.02.1951.

Sehr geehrter Herr Daum!

Auf o. a. Schreiben teilen wir Ihnen höflich mit, daß polizeiliche Meldeunterlagen über den Aufenthalt in Frankfurt/Main bzw. Verbleib der Eheleute Sandler und Wilhelm und Leo Wolf hier nicht vorhanden sind, da alle Unterlagen bis zum Jahre 1945 durch Kriegseinwirkung in Verlust geraten und Neuanmeldungen nach dieser Zeit nicht erfolgt sind.

Durch angestellte Ermittlungen konnte festgestellt werden, daß obengenannte Personen in der Mendelsohn-, Leerbach- und Ostendstrasse nicht bekannt waren und Angehörige hier nicht wohnhaft sind. Das Haus Leerbachstrasse 37 ist durch Kriegseinwirkung zerstört. Nach hier vorhandenen Unterlagen und Feststellung bei der jüdischen Gemeinde wurden die Eheleute Arnold Sandler, geb. 27.11.1897 und Recha, geb. Wolf, geb. am 3.12.1901, am 24.9.1942 nach Estland deportiert. Über den Aufenthalt bzw. Verbleib der Kaufleute Wilhelm und Leo Wolf konnte auch die jüdische Gemeinde keine Auskunft geben.

Mit vorzüglicher Hochachtung
 I. A.

Dem Schreiben kann man entnehmen, dass Dr. Sandler zusammen mit seiner Frau Recha am 24.09.1942 nach Estland deportiert worden ist. Seither gilt das Ehepaar als verschollen.

In diesem Brief geht es auch um den Verbleib bzw. Aufenthalt der Kaufleute Wilhelm und Leo Wolf. Wir vermuten, dass die beiden in enger Verwandtschaft zu dem Ehepaar Sandler standen. Sie sind wahrscheinlich Familienangehörige von Recha Sandler (geb. Wolf).

Ob sie es geschafft haben in ein anderes Land auszuwandern, ist uns nicht bekannt.

Im Mai 2020 erhielten wir interessante Informationen dazu von Hans Wolf:

"...Recha Wolf wurde in Bensheim als Tochter von Wilhelm Wolf und Helene Buchmann geboren. Wilhelm Wolf war der Bruder meines Urgroßvaters Gustav Wolf und Inhaber der Stabil Union in Frankfurt am Main mit seinen Brüdern Leo und Wilhelm.

Mein Urgroßvater floh 1939 in die Niederlande und wurde in Auschwitz ermordet."


Die damalige Bahnhofstraße 36 ist heute Bahnhofplatz 12. 1975 erfolgte die Umbenennung.

In einem Brief der Wiedergutmachungsbehörde Fürth vom 03.10.1951 wird Georg Daum mitgeteilt, dass er für das Haus 4.000 DM an die I R S O nachzahlen muss.

JEWISH RESTITUTION SUCCESSOR ORGANIZATION

Nürnberg Regional Office
APO 696 – A     US ARMY

NÜRNBERG, 21.9.51
Fürther Straße 110 im Justizgebäude
(Zimmer Nr. 547)

Herrn
Georg D a u m

Kempten/Allgaeu
Bahnhofstr.14

Sehr geehrter Herr Daum.

Nachdem unser Direktorium nunmehr den Abgeltungsbetrag von 4000.- DM genehmigt hat, haben wir bei der Wiedergutmachungskammer des Landgerichts Nuernberg-Fuerth um Anberaumung eines Termines zum Abschluss des Vergleichs nachgesucht. Wir erwarten, dass Sie den Abgeltungsbetrag nunmehr sofort nach Abschluss des Vergleichs zahlen und verweisen dazu auf die gewechselten Schriftsaetze.

Hochachtungsvoll

RA Kriegel

Erst im Februar 2016 hat sich ein Verwandter von Dr. Arnold Sandler bei uns gemeldet.

Dr. Yoram Grinspan aus Israel, dessen Großmutter Nina eine Halbschwester von Arnolds Vater war, berichtete über die Geschichte seiner Familie:

"Mein Urgrossvater, Meyer Sandler (1835-1915) aus Inowroclaw (damals Hohensalza) war ein Religions Lehrer und Schumacher. Er war zwei mal verheiratet. Erst mit Chaje (geb. Schafranski) die im 5 Kinder geboren hat, und mit ihrem ersten Sohn an Cholera gestorben ist. Neumann (1865) war der jüngste. 1875 hat er Rifke (geb. Meyer) geheiratet. Sie hatten 10 Kinder von denen nur 5 erwachsen wurden. Meine Großmutter Paula (1882) war eine von ihnen.

Ihr Bruder Willy ist nach Coburg 1890 emigriert, und nach Ihm gingen auch Paula und Schwester Helene (Lenchen) nach Thüringen. Bruder Isidor ist im ersten Weltkrieg gefallen. Der jüngste Dr. Georg  Sandler (1892) war ein Advokat in Königsberg und ist 1933 nach Palästina umgezogen.

Paula heiratete Bernhard Grünspan 1903 in Coburg. Sie ist 1935 in Thüringen an Krebs gestorben. Ihr Grab ist in Coburg. Willi und Lenchen sind ermordet, mein Großvater und zwei Söhne sind auch nach Palästina emigriert. Eine Tochter - Recha - meine Tante, ist mit ihrem Töchterchen (3 Jahre alt) in Sobibor ermordet."

Aufgrund dieses Briefes wissen wir, dass das Ehepaar Sandler eine kleine Tochter hatte.

Von Dr. Grinspan erhielten wir auch den Hinweis, dass es auf der Website des Yad Vashem Auskunft über Arnold und Recha Sandler gibt.

http://yvng.yadvashem.org/index.html?language=en&s_lastName=sandler&s_firstName=recha&s_place=frankfurt