Familie Nathan Waldmann
Der Handelsmann Veis Nathan Waldmann, geb. 1828 in Dittenheim, heiratete Regina Steiner aus Steinhart und zog nach Gunzenhausen. Dort erwarb die Familie um 1870 das Haus Hensoltstraße 6. Das Ehepaar hatte vier Kinder, drei Töchter und einen Sohn.
Der Sohn Nathan, geb. 1864, war Viehhändler und erbte um 1906 das väterliche Anwesen. Er war verheiratet mit Fanny Gumperz, geb. 1870 in Ansbach. Das Ehepaar hatte neun Kinder, von denen drei schon im Kindesalter verstarben:
- Regine *09.04.1895 in Gunzenhausen, +05.09.1902 Gunzenhausen
- Hugo *19.05.1896 in Gunzenhausen, emigrierte nach Argentinien
- Bruno *23.09.1897 in Gunzenhausen, heiratete ein evangelisches Mädchen aus Gunzenhausen, Lina Schachner, *15.04.1903. Er war Soldat im ersten Weltkrieg, ebenso wie sein Bruder Hugo. Beide wurde mit dem Eisernen Kreuz zweiter Klasse ausgezeichnet.
- Julius *28.10.1898 in Gunzenhausen, wohnte mit seiner Frau Frieda Baum aus Teunz im Elternhaus.
- Rosa *17.12.1899 in Gunzenhausen
- Heinrich *07.02.1902 in Gunzenhausen, Lagerist und Packer, um 1939 in Nürnberg, Körnerstraße 123, gemeldet.
- Irma *22.08.1903 in Gunzenhausen, +29.10.1903
- Erich *21.03.1905 in Gunzenhausen, +09.01.1906
- Ludwig *25.03.1906 in Gunzenhausen, Bäcker, ging 1935 nach Palästina. 1956 hat er sich angeblich mit seiner Familie wieder in Deutschland eingebürgert. Doch später lebte er als Konditoreibesitzer in Israel.
1928 verstarb Vater Nathan und das Haus ging 1930 im Erbgang an die Witwe Fanny, geb. Gumperz. Sie vermietete im Haus Geschäftsräume an Franz Scherb. Er richtete dort eine Agentur für das Bankgeschäft Rosenbeck in Hofheim sowie für Versicherungen ein.
Der Sohn Bruno wohnte mit seiner christlichen Frau Lina zunächst bei den Eltern der Frau in der Hensoltstraße 34. Das Ehepaar hatte einen Sohn
Ludwig Bruno *05.01.1926 in Gunzenhausen
Bruno Waldmann eröffnete am Palmsonntag 1926 in der Bahnhofstraße 11 eine Kaffeewirtschaft. Die Räumlichkeiten hatte er von Josefine Haase gepachtet. 1932 zog er mit seiner Familie in dieses Haus um, doch mit der Zunahme der Repressalien gegen jüdische Bürger im Jahr 1934 beendete er den Pachtvertrag mit Frau Haase und zog zurück in sein Elternhaus in der Hensoltstraße 6. Am 16. August gleichen Jahres wanderte er nach Washington aus, Ehefrau und Sohn folgten ihm erst am 01.09.1935.
Die Gründe für sein vorzeitiges Verlassen der Stadt sind uns nicht bekannt, doch der Pogrom vom 24. März 1934 fand unmittelbar vor seiner Kaffeewirtschaft statt. Seine Mutter hat vier Tage später die Stadt verlassen, ist nach Bopfingen weggezogen. Das Haus in der Hensoltstraße wurde allerdings erst am 28. April 1937 an Hans Schöberlein verkauft. Dieser eröffnete dort eine Gemischtwarenhandlung und verkaufte Zucker, Rauchwaren, Textilien und Holzschuhe. Bis 1963 bestand dieses Geschäft. Heute ist das Haus im Besitz von Erika Schmautz.
Gästebuch und Gebetbuch
1963 übergab Ludwig Waldmann bei einem Besuch in Gunzenhausen den Betreuern des Friedhofs ein Gebetbuch und ein Gästebuch, in das sich alle jüdischen Besucher eintragen sollten. Der Konditoreibesitzer machte den Anfang mit den Eintragungen. Weitere Informationen über den Jüdischen Friedhof in Gunzenhausen finden sie hier.
Familie Justin Jeruchem Waldmann
Ein entfernter Verwandter, Justin Jeruchem Waldmann *22.09.1869 in Dittenheim, wohnte mit seiner Familie in der Nachbarschaft, Burgstallstraße 10. Seine Frau Karolina Fröhlich stammte aus Unteralterheim. Das Ehepaar hatte eine Tochter
Melitta *11.12.1898 Gunzenhausen
Sie war verheiratet mit Willi Schwabe aus Kassel und hat das Dritte Reich nicht überlebt. 1956 wurde sie für tot erklärt zum 31.12.1945.
Während alle Kinder von Nathan Waldmann das Dritte Reich überlebten, wurde das einzige Kind dieser Familie ein Opfer der Shoa.
Bericht von Rosemarie Danner
In Gunzenhausen lebt Rosemarie Danner, die Nichte von Lina Waldmann. Sie erzählte uns die Familiengeschichte von Bruno und Lina Waldmann noch einmal genauer und brachte viele Bilder von damals mit. Auch ihr Cousin Ludwig Waldmann schickte uns Photos aus den USA.
Bruno Waldmann aus der Hensoltstraße 6 heiratete in den Zwanziger Jahren das evangelische Mädchen Lina Schachner, ebenfalls aus der Hensoltstraße. Das junge Ehepaar lebte bei den Eltern der Frau, die eine Gastwirtschaft betrieben.
1926 wurde der Sohn Ludwig geboren und noch im selben Jahr eröffneten sie in der Bahnhofsstraße 11 eine Kaffeewirtschaft. Ab 1932 wohnten sie dort im ersten Stock, doch schon 1934 wurden ihnen die Scheiben eingeworfen. Daraufhin verließ Bruno die Stadt, emigrierte nach Washington und suchte dort Arbeit. Seine Frau und der Sohn Ludwig blieben in Gunzenhausen. Da Bruno sehr sportlich war, fand er eine Anstellung in einem Sportclub. So konnte er seine Familie schon ein Jahr später nachkommen lassen.
1945 war der Sohn Ludwig als GI – also als junger amerikanischer Soldat in Deutschland eingesetzt. Seine Großeltern in Gunzenhausen durfte er während des Aufenthaltes allerdings nicht besuchen. In diesem Jahr wurde in Washington seine kleine Schwester geboren. Erst nach Kriegsende kam wieder Post von den Waldmanns in Gunzenhausen an. Sie schickten viele Carepakete an die Not leidenden Verwandten in Deutschland, voll mit Essen, Kleidung und ‚verrückten’ amerikanischen Spielsachen. 1953 besuchte Lina Waldmann zum ersten Mal wieder ihre Heimat. Zusammen mit ihrer Tochter war sie per Schiff nach Deutschland gereist. Bruno war nicht dabei.
Erst zehn Jahre später, im Jahr 1963 kam Bruno mit nach Gunzenhausen. Es sollte sein einziger Besuch hier bleiben. Damals war auch Brunos Schwester Rosa dabei.
1976 besuchte Lina zum letzten Mal ihre Heimat. Bruno war 1964 gestorben.