Familie Simon Strauß
Simon Strauß wird am 11.06.1868 in Damm (bei Aschaffenburg) als einziger Sohn des Metzgers David Strauß und dessen Frau Esther geboren. Im Jahr 1895 ist die Familie nach Gunzenhausen gezogen, denn David Strauß meldet im Januar 1896 eine Weinschenke im Haus Bahnhofstraße 13 an. Später betreiben sie dort auch eine Metzgerei und eine Garküche, das heißt, sie verkauften fertige Gerichte zum Mitnehmen.
1905 melden sie dieses Gewerbe ab, denn der Sohn Simon lässt im selben Jahr im Gewerbeanmelderegister Gastwirtschaft und Metzgerei eintragen. Er eröffnet in der Nürnberger Straße 4 den einzigen jüdischen Gasthof mit Metzgerei.
Das Bürgerrecht erhält er allerdings erst am 23. März 1906 und schon einen Monat später heiratet er Sofie Weil, geb. am 27.04.1878 in Oehringen (bei Heilbronn). Deren Eltern waren der Metzger Max Weil und Cili Buxbaum.
Nathan Weil, der Bruder von Sofie, heiratet einige Jahre später Laura Blumenstein aus Gunzenhausen. Dieses Ehepaar lebt allerdings nicht in Gunzenhausen, möglicherweise in Oehringen.
Die Eltern David und Esther Strauss verlassen im Jahr 1909 Gunzenhausen und ziehen nach Konstanz.
Sofie und Simon hatten zwei Kinder:
- Josef (ab 1934 Julius Josef) geb. 24.01.1907 in Gunzenhausen
- Else * 26.01.1909 in Gunzenhausen
Im Jahr 1910 erwirbt die Familie das Gasthaus in der Nürnberger Straße 4 um 30 000 RM.
Simon Strauß ist Kassier des am 15.03.1906 gegründeten Schachclubs Gunzenhausen. Als Vereinslokal wird die Strauß’sche Gastwirtschaft gewählt.
Quelle: Personendokumentation der jüdischen Einwohner von Gunzenhausen von Werner Mühlhäußer, Stadtarchivar in Gunzenhausen.
Leider erfährt die Geschichte der Familie mit dem Pogrom vom 25. März 1934, das eben in diesem Haus seinen Ausgang nimmt, eine tragische Wendung.
Im Juli 1934 überfällt Kurt Bär den Gastwirt Simon Strauss in seinem Haus und erschießt ihn, der Sohn Julius wird schwer verletzt.
Erst im März 2014 hat sich James Strauss aus New York, der Sohn von Julius Strauss, bei uns gemeldet und über das Schicksal seiner Familie berichtet.
Meine Familie und ich sind sehr dankbar für den Kontakt zu Ihnen und Ihren Schülern. Danke für die Möglichkeit, unsere Familiengeschichte mitzuteilen…. die Geschichte meines Vaters Julius Strauss, der 1940 amerikanischer Staatsbürger geworden ist.
Ich bin 1947 in New York geboren, meine Schwester Carol 1942. Da mein Vater schon 1956 im Alter von 49 Jahren gestorben ist, konnte ich mit ihm über nichts aus seinem früheren Leben in Deutschland sprechen oder etwas über die schrecklichen Ereignisse von 1934 erfahren.
Nachdem er im Juli 1934 (von Kurt Bär) angeschossen worden war, erholte er sich erst in Deutschland und in Italien, bevor er in die USA emigrierte, wo der Bruder seines Vaters eine sehr erfolgreiche Dekorations- und Ausstellungsfirma betrieb.
Obwohl er im elterlichen Geschäft in Gunzenhausen als Metzger ausgebildet worden war, wurde er in seiner Wahlheimat ein erfolgreicher Geschäftsmann und sehr aktiv in städtischen Angelegenheiten.
Meine Mutter - Irene Bachrach aus Dieburg - traf er in einem der deutsch-jüdischen Clubs, die damals im Bezirk Washington Heights (manchmal das Frankfurt am Hudson genannt), im Norden von Manhattan, sehr populär waren.
Leider beeinträchtigten die Verletzungen, die er bei dem Pogrom 1934 erlitten hatte, seine Gesundheit sehr, so dass er oft im Krankenhaus war.
Obwohl er im Zweiten Weltkrieg zur Armee eingezogen worden war, wurde er nach kurzer Dienstzeit wegen seiner Verletzungen für untauglich erklärt.
1948 ist meine Familie nach Forest Hills New York, einen neuen Vorort ganz in der Nähe von New York City, umgezogen
Dort führten wir in den fünfziger Jahren ein gutes und wohlhabendes Leben.
1956 starb mein Vater an Krebs, eine Folge seiner Schussverletzung von 1934, denn den Ärzten war es nicht gelungen, die Kugeln zu entfernen.
Meine Großmutter Sofie Weil Strauss lebte in Washington Heights mit Elsie, der Schwester meines Vaters und deren Familie. Sie konnte sich nie von dem Schock erholen, dass ihr Mann ermordet worden war und hatte die Auswanderung aus Deutschland sehr forciert.
Ich habe einen Strauss-Cousin, Steven, der einige Jahre älter ist als ich und vor kurzem nach Florida gezogen ist.
1973 habe ich meine Frau Ina geheiratet und wir leben heute noch in Forest Hills.
Ich bin Rechtsanwalt und war überwiegend bei der Stadt New York tätig, spezialisiert auf Vertrags-, Arbeits- und Umweltrecht. Unsere drei Kinder sind alle verheiratet und wir haben auch schon einen Enkelsohn, Teddy. Ein weiterer wird diesen Mai erwartet.
Meine Schwester Carol hat eine Tochter und drei Enkelkinder. Sie leben jetzt alle in Florida.
Bis vor einigen Jahren wusste ich nur andeutungsweise Bescheid über die tragischen Ereignisse in der Strauss Familie und in anderen jüdischen Familien in Gunzenhausen.
Durch das Internet und durch Projekte wie Ihres haben wir viel über unsere besondere Familiengeschichte erfahren. Und wir werden weiter forschen, um mehr über mein deutsches Erbe herauszufinden.
Besuch 2015
Im März 2015 besuchte James Strauss zum ersten Mal Gunzenhausen. Mit ihm kamen seine Frau Ina und sein Freund Jim Bauer mit Frau Jill. Jim Bauer ist ebenfalls Jude mit deutschen Wurzeln und hat einen großen Teil der Familiengeschichte von James Strauss erforscht. Er schrieb auch diesen Bericht über den Besuch.
Auf dieser Deutschlandreise wollten wir vor allem die Orte besuchen, in denen Vorfahren der Strauß-Familie gelebt hatten. Das war z.B. Dieburg, wo James‘ Mutter herkam, aber auch Aschaffenburg, wo die Straußens gelebt hatten, bis sie noch vor 1900 nach Gunzenhausen gezogen sind.
Unser Besuch in Gunzenhausen war ein prägendes Erlebnis für die Familie Strauss, denn sie hatten bis dahin nicht viel über ihre Familie gewusst. Wie die meisten deutschen Juden hatten sie nach dem Krieg nicht viel über den Holocaust und ihr Leben davor gesprochen.
Zunächst erfuhren wir viel durch die Website der Schule und andere online zugängliche Informationen. Unser Besuch in Gunzenhausen erfüllte all dieses Wissen mit Leben. Vor allem aber erlebten wir, wie die Ereignisse des Holocaust heute jungen Deutschen vermittelt werden und dass die ältere Generation um die Bedeutung des Erinnerns weiß.
Wir übernachteten im früheren Strauß-Gasthof, der heute im Besitz der Familie Arnold ist. Josef Arnold, der jetzige Inhaber, widmete uns viel Zeit und war ausgesprochen gastfreundlich.
Am ersten Morgen besuchten wir zusammen mit Emmi Hetzner und Jochen Loos den Jüdischen Friedhof. Da der Grabstein von Simon Strauß während der Nazizeit zerstört worden war, versuchten wir anhand unscharfer alter Fotos herauszufinden, an welcher Stelle das Grab gewesen sein könnte.
Wir besuchten auch das Rathaus und das Museum, wo wir Ingeborg Hermann und den Webmaster der Homepage über jüdisches Leben Horst Schäfer kennenlernten. Es sind dort noch einige jüdische Ritualgegenstände und ein Modell der Synagoge ausgestellt.
Der absolute Höhepunkt der Reise war die Stadtführung durch die Schüler der Stephani-Schule am Nachmittag. Wir hielten vor verschiedenen ehemals jüdischen Wohnhäusern an, die Schüler standen jeweils vor dem Haus, zeigten Fotos der damaligen Bewohner und beschrieben deren Leben und Schicksal. Dabei sahen wir auch die Gedenktafeln für die jüdischen Opfer, den Standort der Synagoge und der damaligen jüdischen Schule.
Danach waren wir bei Emmi zum typisch deutschen Kaffeetrinken mit guter Unterhaltung.
Am nächsten Vormittag verbrachten wir zwei Stunden in der Stephani-Schule. Jim Strauss und ich stellten in einer kurzen Präsentation unsere Familiengeschichten vor, danach unterhielten wir uns mit den Schülern und beantworteten ihre Fragen.
Anschließend trafen wir uns mit dem Bürgermeister Herrn Fitz und dem Stadtarchivar Werner Mühlhäußer zum Mittagessen. Dabei war auch Babette Gutmann, eine Reporterin der lokalen Tageszeitung, die danach einen großen Bericht über unseren Besuch schrieb.
Alles in allem war dieser Besuch das Highlight unserer Reise – und ermöglichte uns nicht nur mehr Einblick in die Geschichte der Familie Strauß, sondern auch in die Geschichte Gunzenhausens, in das Leben der anderen jüdischen Familien, die dort gelebt haben und soweit das möglich ist, in die gesamte Nazi-Ära.
Von Simon Strauß leben heute in den USA drei Enkel, vier Urenkel und sieben Ururenkel. Dieser Familie ist es glücklicherweise gelungen, die Nazis und deren Pläne zu überleben.