Familie Dr. David Rueck

Von 1913 bis 1914 war Dr. David Rueck praktischer Arzt in Gunzenhausen. Er wurde am 29.11.1874 in Eichstetten als Sohn des Lehrers Moses Aaron Rueck und dessen Frau Golde Lurié geboren. Auch seine Frau Flora Epstein stammte aus Eichstetten. Sie wurde dort am 05.07.1882 als Tochter des Handelsmannes Heinrich Moses Epstein  und dessen Frau Rosa, geb. Burger, geboren

Das Ehepaar Rück zog im Jahr 1913 nach Gunzenhausen und hatte drei Kinder:

Tirza (Thirza) Malina * 10.03.1907 in Eichstetten Sie heiratete 1932 Franz Ehrle aus Ludwigshafen.
Assa Moses * 17.06.1912 in Eichstetten  
Moses Aron Esrah * 19.08.1914 in Gunzenhausen Er heiratete am 24.08.1935 in München Gertrud Liane Bettina Bodenheimer
(* 07.09.1912 in München). Das Ehepaar emigrierte am 15.10.1935 nach Haifa in Palestina.
(Mitteilung vom Stadtarchiv München am 03.11.2000)

Bericht aus dem Altmühl-Boten vom 28.11.1913
Als vierter Arzt hat sich in unserer Stadt Herr Dr. Rueck, bisher in Eichstetten bei Freiburg i. Br., niedergelassen. Herr Dr. Rueck, dem der Ruf eines tüchtigen und gewissenhaften Arztes vorausgeht, erfreute sich in seinem bisherigen langjährigen Wirkungskreis allgemeiner Beliebtheit und Wertschätzung. Die Wohnung des Herrn Dr. Rueck befindet sich im Fränkischen Hof.

Die Familie Rueck ist während ihrer Zeit in Gunzenhausen mehrmals umgezogen.
Nach dem Fränkischen Hof wohnten sie zunächst in der Bahnhofstraße 20, dann in der Hensoltstraße 17.
Später zogen sie in die Seckendorffstraße 3. Zuletzt wohnte sie in der Bühringerstraße 20.

Beim Ausbruch des Ersten Weltkrieges musste Dr. David Rueck als Lazarettarzt einrücken.

Bericht aus dem Altmühl-Boten vom 21.02.1919

In einem Lazarett in Bukarest starb am 9. Dezember 1918 an der Grippe Dr. D. Rueck, praktischer Arzt dahier. Ein Mann, der es trotz seines kurzen Hierseins verstanden hatte, durch persönliche Liebenswürdigkeit gegen jedermann die Herzen aller, die ihn kennen zu lernen die Gelegenheit hatten, zu gewinnen. Die Nachricht von seinem Tode, die erst gestern hier eintraf, wird deshalb auch in allen Kreisen der Bevölkerung innigste Teilnahme hervorrufen.

Am 7. August 1914 rückte Dr. Rueck als Arzt zu Heere ein und fand zunächst im Reservelazarett in Lahr/Baden und sodann in Vöhrenbach im badischen Schwarzwald im Offiziersgefangenenlager Verwendung. Er meldete sich dann an die Front und kam im Mai 1915 nach Rumänien. Hier war er hauptsächlich mit der Einrichtung der Flecktyphuslazarette betraut, übernahm dann die Leitung derselben und genoss große Anerkennung für die mustergültigen Einrichtungen… Seine Verdienste wurden durch verschiedene Auszeichnungen anerkannt: das Eiserne Kreuz 2. Klasse, das badische Verdienstkreuz und der bulgarische Alexanderorden – eine Auszeichnung, die sonst nur hohen Offizieren verliehen wurde – schmückten seine Brust… Sowohl als Mensch wie als Arzt hat er sich in Gunzenhausen ein bleibendes Denkmal gesetzt.

© Personendokumentation der jüdischen Einwohner von Gunzenhausen von Werner Mühlhäußer

In diesem Haus in der Seckendorffstraße befand sich die Praxis von Dr. Rück

Im Jahr 1919 kam ein neuer jüdischer Arzt nach Gunzenhausen. Es war Dr. Karl Rothschild, der die Praxis von Dr. Rueck in der Seckendorffstraße 3 übernahm. Bis dahin hatte die Witwe Flora Rueck mit ihren drei Kindern noch dort gelebt. Auch die Familie von Sigmund Wertheimer wohnte dort zur Miete. Seine Frau Ernestine stammte ebenso wie ihre Schwester Flora Rueck aus der Familie Epstein in Eichstetten. Auch die Mutter Rosa Epstein ist offensichtlich nach Gunzenhausen gezogen, denn lt. Assa Rueck wurde sie hier auf dem jüdischen Friedhof beerdigt. Wahrscheinlich war sie gekommen, um bei der Betreuung der drei Kinder zu helfen.

Familie Rueck zog nun in die Bühringerstraße 20. Dort starb Flora mit erst 38 Jahren und hinterließ drei elternlose Kinder. Sigmund und Ernestine Wertheimer adoptierten alle drei Rueck-Kinder. Sie wohnten noch einige Jahre in der Seckendorffstraße und zogen dann um in die Bühringerstraße 20.

 

Der Name des Gefallenen Dr. David Rueck steht auf der Gedenkstätte für die Gefallenen beider Weltkriege von Gunzenhausen am Hindenburgplatz, direkt neben unserer Schule. In der Gemeinde Eichstetten am Kaiserstuhl, aus der die Familie Rueck stammt, werden zum Gedenken an die jüdischen Opfer seit einigen Jahren Stolpersteine verlegt. Ende 2011 wird an die Familie Rueck erinnert. Mehr Informationen dazu unter der Website von Eichstetten.

 

Einer der Gedenksteine für die Opfer des Ersten Weltkrieges in Gunzenhausen

Leider hat sich bis heute kein Nachfahre der Familie Rueck bei uns gemeldet.

Doch Ursula Schmaderer, eine Diakonisse an der Hensoltshöhe, hat uns von der Freundschaft zwischen ihrem Vater Max und dem Sohn Assa Rueck berichtet.

Auch im Altmühl-Boten stand am 23.03.2019 ein Bericht von Tina Ellinger darüber.

Gunzenhäuserin pflegt Holocaust Opfer in Israel

"...Es ist wohl ihre eigene Geschichte, die Ursula Schmaderers Interesse an Israel ausgelöst hat: Ihr Vater Max Schmaderer hatte einen jüdischen Schulfreund. "Er und Assa Rück waren richtig gute Freunde, beide wohnten in der Hensoltstraße in Gunzenhausen." Es habe ihren Vater immer belastet, dass es irgendwann verboten war, mit ihm zu spielen, ihn gar zu grüßen. Sie verloren sich aus den Augen, Max wurde zur Wehrmacht eingezogen, Assa und seine Familie ergriffen die Flucht vor den Nazis.

Durch puren Zufall landete 1977 ein Brief eines Albert Rück auf dem Schreibtisch von Max Schmaderer, der in der Personalabteilung der Sparkasse beschäftigt war. Rück brauchte für sein Altersruhegeld eine Bestätigung des Gunzenhäuser Bürgermeisters, einst in der Altmühlstadt gelebt zu haben.

Die Freude über ein Lebenszeichen des alten Freundes, der mittlerweile in den USA lebte und seinen Vornamen in Albert geändert hat, war riesig. Das geht aus dem Briefwechsel hervor, den die zwei Männer aufnahmen und den Tochter Ursula aufbewahrt hat. Aus dem geplanten Wiedersehen in der alten Heimat wurde leider nichts, da Max Schmaderer überraschend verstarb. "Ich fragte mich immer, wie können wir ein Zeichen setzen und etwas Gutes tun", erinnert sich Schwester Ursula, die nach ihrem Eintritt als Diakonisse der Hensoltshöhe auch oft mit dem Thema Nationalsozialismus konfrontiert war.

Die Antwort fand sie in der Arbeit des Vereins Zedakah, in dessen Einrichtungen die Holocaust-Überlebenden Zuwendung und Geborgenheit erfahren sollen, und zwar durch deutsche Christen. "Es ist wichtig, dass Christen ein Zeichen setzen, es geht ihnen wirklich ums Tun und nicht ums Reden", ist die Diakonisse überzeugt. Durch dieses Tun werde den Bewohnern, die zudem durch koschere Küche und das Hochhalten ihrer Traditionen im jüdischen Glauben bestärkt werden, Liebe entgegengebracht.

Der Verein betreibt im Norden Israels, in Maalot, das Pflegeheim "Beth Elieser", in dem Juden, die den Nationalsozialismus überlebt haben, umfassend betreut werden.

Schwester Ursulas Mahnung: Der Holocaust verpflichtet uns für alle Zukunft! ..."

Max Rothschild schreibt in seinen Erinnerungen über die Familie Rueck:

Dr. Rueck soll ein sehr interessanter Mann gewesen sein. Er war ein früher Zionist und ein Hebraist von hohem Ansehen, mit einer erlesenen Bibliothek von klassischen und modernen Hebräischen Werken. Er gab all seinen drei Kindern hebräische Namen: Assa, Ezra und Tirzah. Obwohl sie einige Jahre älter waren als ich, waren wir immer gute Freunde. Die Rück-Kinder waren in unserem Haus in der Bahnhofstraße ziemlich zuhause. Zusätzlich zu den Adoptiveltern der Rück-Kinder sorgten mein eigener Vater und meine Mutter wie Pflegeeltern für sie. Die drei verbrachten bei uns genau so viel Zeit wie bei Onkel und Tante und meine gute Mama kümmerte sich wunderbar um sie.

Dr. Rueck war ursprünglich als Freiwilliger an der Front. Zu der Zeit war es noch kein Widerspruch gleichzeitig Jude und glühender Anhänger des deutschen Vaterlandes zu sein. Der Kaiser selbst hatte die Hoffnung auf die Gründung eines offiziellen Jüdischen Gebietes in Palästina geschürt, als er auf seinem kaiserlichen Pferd durch die Tore der heiligen Stadt ritt.

Dr. Rueck war eine ganz besondere Kombination – so erscheint es uns heute – aus einem deutschen Patrioten und einem enthusiastischen Hebraisten und Zionisten, eine Kombination die schon einige Jahre später als absurd erscheinen sollte. Er soll sich durch große Tapferkeit im Kampf an der Front ausgezeichnet und die höchsten Auszeichnungen für die Hilfe an seinen verwundeten Kameraden erhalten haben.

Ich erwähne diese Umstände, denn die Geschichte nahm in späteren Jahren eine bizarre Wende.

Tirzah, die älteste Tochter, heiratete einen Nichtjuden. Das war zu dieser Zeit etwas so Ungewöhnliches, dass ich mich immer noch an die Schockwirkung auf meine Eltern und Familie erinnere.  Tirzah wurde geächtet. Ihre Familie und früheren Freunde brachen alle Kontakte zu ihr ab. Ihr deutscher Ehemann soll ein wohlhabender Mühlenbesitzer aus Südwestdeutschland gewesen sein.

Als die Nazis an die Macht kamen, über ein Jahrzehnt nach ihrer Heirat, und die Lage etwas schwierig wurde, verließ dieser Gentleman prompt seine Frau. Seine eigene arische Seele war ihm wichtiger als seine Frau. Tirzah wurde schließlich nach Auschwitz deportiert.

Sie ist eine wunderschöne Frau gewesen. Als sie an der Reihe war und vor Dr. Mengele stand, dem Arzt, der über Leben und Tod entschied, war er verzaubert von ihrer Schönheit und fragte nach ihrem Namen. Als sie ihm sagte, sie heiße Rueck, fragte er, ob sein Kollege und Kamerad im Ersten Weltkrieg an der rumänischen Front ihr Vater gewesen sei. Sie antwortete, dass dies tatsächlich der Fall sei und er begann sofort Gutes über ihren Vater als deutschen Soldaten zu berichten, dann schnappte er: „…wirst nicht verbrannt!“ Und er schickte sie in eine Abteilung des Konzentrationslagers, in der man am Leben blieb.

Tirzah überlebte tatsächlich. Jahre später landete sie in New York und suchte Kontakt zu meinen Eltern.