Familie Lazarus Bergmann

Lazarus Bergmann, geb. am 03.02.1850 in Dittenheim, erwirbt 1877 das Bürgerrecht von Gunzenhausen.

Den Stammbaum der Familie finden sie hier. Seine Brüder Isaak und Isidor wohnten mit ihren Familien in der Nürnberger Straße 17.

Lazarus erbt von seinem Vater Levi das Haus an der Promenade 1, direkt an der Altmühl. Dort lebt er mit seiner Frau Fanny, geb. Rosenberger, aus Ederheim und setzt den Landesprodukten-, Vieh- und Getreidehandel seines Vaters fort. Das Ehepaar hat acht Kinder, drei davon sterben schon sehr früh.

1898 verkauft Lazarus das elterliche Anwesen und baut in der Krankenhausstraße 10 ein neues Haus.

Die älteste Tochter Emma, am 09.12.1878 in Gunzenhausen geboren, heiratet 1902 den Pferdehändler Samuel Schimmel aus Pappenheim, wo das junge Paar auch einige Jahre lebt. Doch bald kehren sie mit ihren beiden Kindern zurück nach Gunzenhausen in die Krankenhausstraße. Beide sterben schon vor Beginn des Dritten Reiches. Das Schicksal ihrer beiden Kinder Thesi und Bertha ist bisher leider unbekannt.

Die Tochter Emilie, geb. am 07.09.1885 in Gunzenhausen, heiratet 1908 David Gunzenhäuser, den Sohn des Feuchtwanger Bankiers und Vorsitzenden der dortigen israelitischen Kultusgemeinde Jakob Gunzenhäuser und dessen Frau Jette, geb. Gutmann.

Die wohlhabende Bankiersfamilie hatte der Synagoge in Feuchtwangen ein Toraschild zur Verfügung gestellt, das sie offensichtlich vor ihrer Emigration noch retten und später dem Jewish-Museum in New York übergeben konnte, wo es sich heute noch befindet.

© Theodor Harburger: ‚Die Inventarisation jüdischer Kunst- und Kulturdenkmäler in Bayern’ Band 2

Auch David Gunzenhäuser ist Bankier und wird 1936 wegen eines angeblichen Vergehens gegen das Kreditgesetz zusammen mit seiner Frau Emilie und dem einzigen Sohn verhaftet. Nach der Freilassung wird er nach Nürnberg ausgewiesen und wandert 1939 mit seiner Frau nach Großbritannien aus. Der Sohn Eduard, geb. 29.05.1910, kann nicht mit seinen Eltern ausreisen, er kommt ins Lager Izbica und wird nach dem Krieg für tot erklärt. Unter www.geschichte-feuchtwangen.de/Band3/Gunzenha.htm ist seine tragische Geschichte nachzulesen.

Die jüngste Tochter Betti, geb. 15.07.1888 in Gunzenhausen, heiratet 1910 den Kaufmann Louis Heimann aus Göppingen, wo das Ehepaar auch lebt. Von dort werden beide in Konzentrationslager deportiert. Betty kommt in Auschwitz ums Leben, ihr Mann Louis 1943 in Theresienstadt. Es ist nicht bekannt, ob das Ehepaar Kinder hatte. Am 20. Juli 2023 hat uns Herr Klaus Maier-Rubner dankenswerterweise  folgende Mitteilung gesandt: Betti und Louis Heimann hatten ein Kind, den am 11. Dezember 1920 geborenen Sohn Rolf. Er konnte im Jahr 1937 in die USA fliehen und verstarb in den 1990er Jahren in New York.

Der Sohn Sigmund, geb. 08.01.1883 in Gunzenhausen, erwirbt am 28.06.1916 von dem jüdischen Fabrikanten Emil Bing das Haus und die Maschinenfabrik in der Nürnberger Straße 58 um 90.000 Reichsmark.

Er löst die Bing’sche Maschinenfabrik auf und betreibt in dem Gebäude zusammen mit seinem Vater einen Getreidehandel. Doch schon im März 1919 übergibt er den Betrieb seinem Bruder Adolf und zieht nach Kleinerdlingen, wo er die Schlossbrauerei erwirbt. Dort betreibt er eine Malz-, Karamalz- und Malzkaffeefabrik.
Mit Gretl Schönwalter aus Markt Berolzheim verlobt er sich im Juni 1919. Doch noch vor der Hochzeit verstirbt er am 30.07.1919 in Nördlingen.

Sein jüngerer Bruder Adolf, geb. am 10.05.1884 in Gunzenhausen, heiratet am 26.10.1919 Ida Feuchtwanger, geb. am 27.02.1892 in Sulzbürg.

Das Ehepaar hat zwei Söhne:

  • Ludwig, geb. am 18.02.1921 in Gunzenhausen
  • Hans, geb. 19.04.1923 in Gunzenhausen

Da auch der Vater inzwischen verstorben ist, betreibt Adolf das Getreide-, Futter- und Düngemittelgeschäft in der Nürnberger Straße allein weiter. Nebenan in der Sichlinger Straße baut er für seine Familie ein neues Wohnhaus.

Doch die Firma in der Nürnberger Straße muss er schon am 06.09.1933 an die Stadtgemeinde Gunzenhausen verkaufen, die darin ein Reichsarbeitsdienstlager einrichten will.

Adolf verlegt daraufhin das Geschäft im Herbst 1933 wieder zurück in die Krankenhausstraße, wo die Familie noch immer das Haus Nr. 10 besitzt. Daneben, im Haus Nr. 8, befindet sich das Lager der Firma.

Das Wohnhaus in der Sichlingerstraße hatte er schon 1929 an Pfarrer Rösel aus Gundelsheim verkauft. So erlebt die Familie den Pogrom vom 25. März 1934 in der Krankenhausstraße. Adolf Bergmann wird in dieser Nacht inhaftiert wie viele andere jüdische Männer aus Gunzenhausen.

Zwei Jahre bleibt er noch in der Stadt, doch der jüngere Sohn Hans wird schon 1934 in ein Lyzeum in Frankreich (Belfort) in Sicherheit gebracht. Am 28.01.1936 meldet sich die Familie nach Nürnberg ab. Hans ist bis 1938 in Frankreich und kann von dort in die USA auswandern. Am 20. Mai 1940 gelingt es auch seinen Eltern und dem Bruder in die USA auszuwandern. Beide Söhne leben dort noch heute mit ihren Familien:

Ludwig Bergmann ist in Altoona in den USA gemeldet. Hans Bergmann lebte um 1958 in New York als Rechtsanwalt.

Die beiden Anwesen in der Krankenhausstraße werden 1936 von dem Getreidekaufmann Georg Schömig erworben, der das Geschäft weiterführt.

Quelle: Personendokumentation der jüdischen Bewohner Gunzenhausens von Werner Mühlhäußer.

Nach dem Krieg wurden von der IRSO die Verkaufsbedingungen überprüft. Dazu musste von der Familie Bergmann eine Bestätigung eingeholt werden, dass der Hauskauf ohne Druck und zu einem reellen Preis getätigt worden war. Die Familie Schömig fand durch einen früheren Angestellten der Firma die Adresse der ausgewanderten Familie heraus. In einem Brief baten sie die Familie Bergmann, zu bestätigen, dass sie den vollen Kaufpreis erhalten habe.

Herr Bergmann bestätigte den Erhalt des Geldes, äußerte aber, dass nicht der tatsächliche Wert des Hauses bezahlt worden sei. Herr Schömig musste daher den gleichen Preis noch einmal entrichten. Sein Sohn gibt den dadurch entstandenen Gesamtpreis des Hauses mit ca. 45.000 DM an.

Familie Schömig erinnert sich, dass die Nachforderung direkt nach der Währungsreform 1948 kam. Nach der Geldabwertung verfügte kaum mehr jemand über größere Geldsummen, so dass es nicht leicht war, die Nachzahlung zu tätigen, obwohl sie sicher gerechtfertigt war.

Leider ist die Adresse der Familie verloren gegangen, so dass wir sie lange Zeit nicht gefunden haben. Doch offensichtlich hat Hans Bergmann Gunzenhausen im Jahr 1970 mit seiner Familie besuchten, denn im Besucherbuch des jüdischen Friedhofes findet sich ein Eintrag von ihm, den er als John Bergman unterzeichnet hat.

Mehr als 50 Jahre später, zu Jahresbeginn 2022, hat sich sein Sohn Michael bei uns gemeldet. Auch er war damals mit in Gunzenhausen gewesen. Vielleicht können wir von ihm etwas über die Familiengeschichte erfahren.