Familie Leo Hubert

Leo und Hedwig Hubert mit ihren Kindern Emma und Selmar © Mikrokosmos Cronheim von Ralf Rossmeissl
Leo und Hedwig Hubert mit ihren Kindern Emma und Selmar © Mikrokosmos Cronheim von Ralf Rossmeissl

Der Handelsmann Leo Hubert wurde am 14.11 1891 in Cronheim als Sohn von Ruben Hubert und Emma, geb. Ebert, geboren. Im ersten Weltkrieg war Leo Hubert Soldat und wurde mit dem Eisernen Kreuz zweiter Klasse, dem Bayrischen Militär-Verdienstkreuz dritter Klasse und dem Verwundetenabzeichen ausgezeichnet. Am 16.05.1922 heiratet er Hedwig Schülein, geb. am 25.02.1901 in Thalmässing.
Das Ehepaar hat zwei Kinder

  • Emma, * 22.05.1923 in Cronheim
  • Selmar, * 23.01.1926 in Cronheim

Nach dem 08.11.1938, also wahrscheinlich während oder kurz vor der Reichskristallnacht, wird Leo Hubert für vier Wochen in Haft genommen. Gleich nach seiner Haftentlassung stellt das Ehepaar am 15.12.1938 einen Antrag auf Ausstellung von Pässen, da es auswandern möchte. Noch im Dezember 1938 verlassen sie Cronheim und ziehen nach Kriegshaber, heute ein Stadtteil von Augsburg. Im Frühling 1939 gelingt es der Familie, Tochter Emmy mit einem Kindertransport nach England zu schicken. Schon im Juni desselben Jahres findet Emmy eine englische Familie, die bereit ist, ihren erst 13 Jahre alten Bruder Selmar aufzunehmen.

Beide Kinder sind nun in Sicherheit, doch die Eltern müssen noch auf die Ausreisegenehmigung warten. Ihre Quota ist zu hoch, d.h. die Nummer auf der Einwanderungsliste in die USA, die die Reihenfolge festlegte, gestattet ihre Ausreise erst viel später. In der Zwischenzeit werden sie in Kriegshaber von Verwandten ihrer Cronheimer Nachbarn versorgt.

Anton Frank aus Kriegshaber, der Enkel von Frau Rank, erinnert sich:
Eines Tages im Herbst 1941, die beiden Hubertkinder waren schon fort, wurden meine Eltern wegen ihrer Judenkontakte denunziert und es klopfte die Gestapo an die Tür. Meine Mutter redete sich auf das beständige scharfe Nachfragen hinaus, sie hätte nicht gewusst, dass Herr Hubert ein Jude sei. Er sei halt ein guter Nachbar der Schwiegermutter aus Cronheim, der vor kurzem hergezogen sei. Sie wurde aufs strengste verwarnt mit den Worten: „Seid bloß ruhig, sonst geht’s auch fort!“

Hedwig und Leo Hubert mit Frau Rank aus Cronheim.
Hedwig und Leo Hubert mit Frau Rank aus Cronheim. Das letzte Bild des Ehepaares vor der Deportation. Sie haben dazu ihre Judensterne abgenommen. © Mikrokosmos Cronheim von Ralf Rossmeissl

Daraufhin hat mein Vater in seinem Schrebergarten unter dem Häuschen ein winziges Erdloch ohne Abstützung ausgehoben und mit einer versteckten Falltür versehen, da er wusste, dass es so nicht mehr lange weitergehen konnte. Dort haben die beiden Huberts dann beinahe ein dreiviertel Jahr ohne Licht tagsüber immer auf engstem Raum ausgeharrt. Ich habe dann zur Tarnung immer meine HJ-Uniform angezogen und bin mit Essen hingeradelt. Aber langsam ist das aufgefallen. Eines Tages in der Nacht kam Leo Hubert zu meinem Vater in die Wohnung und hat gesagt:

„Das hat keinen Wert mehr, sonst nehmen sie Euch auch noch mit. Das kann ich nicht verantworten!“ Darauf sind die Huberts wieder zu den anderen Juden zurückgekehrt. Kurz darauf war unsere Oma aus Cronheim zu Besuch und ich habe in der späten Dämmerung noch ein Bild von Oma und unseren beiden Freunden gemacht. Es war das letzte.

Quelle: © Mikrokosmos Cronheim von Ralf Rossmeissl

Emmi und Selmar Hubert © Mikrokosmos Cronheim von Ralf Rossmeissl
Emmy und Selmar Hubert © Mikrokosmos Cronheim von Ralf Rossmeissl

Die Überlebenden der Familie Hubert glaubten jahrelang, dass Hedwig und Leo Hubert im Jahr 1942 von Kriegshaber nach Piaski in das Vernichtungslager deportiert und dort ermordet worden sind.

Von Mark Rabideau erhielten wir folgende Mitteilung dazu:

"Heute wissen wir, was tatsächlich passiert ist. Sowohl die jüngsten Untersuchungen als auch Bundesarchiv.de deuten darauf hin, dass Leo und Hedwig Hubert tatsächlich von Augsburg (ihre letzte Adresse war Ulmerstraße 11) nach München deportiert wurden. Am 20. November 1941 wurden sie von München nach Kowno (Kauen) Fort IX (9) in Litauen "evakuiert". Nach ihrer Ankunft in Litauen wurden Leo Hubert und Hedwig Sara, geborene Schülein, am 25. November 1945 von den Einsatzgruppen A ermordet.

Die Bundesrepublik Deutschland hat die Verantwortung für diese Morde zum genannten Zeitpunkt anerkannt und übernommen. (Siehe: Massaker in Kowno Fort IX ; Kowno IX Einsatzgruppen A Hinrichtungen/ Morde)"

Hier ist die Geschichte der Familie Hubert von Mark Rabideau nach dem neuesten Forschungsstand aufgeschrieben:

Leo Hubert & Hedwig Schülein (Ihr Leben und Schicksal) – ManyRoads (many-roads.com)

Sohn Selmar Hubert wandert im Februar 1945 von England nach Amerika (New York) aus und lebt zunächst bei einem Bruder seines Vaters, welcher mit seiner Frau schon Ende 1938 über Kuba in die USA eingereist war. Die Schwester Emmy folgt ihm. Beide Kinder suchen nach dem Krieg ihre Eltern, finden jedoch keine Spur mehr. Emmy heiratet in den USA David Mogilensky und lebt in Baltimore. Selmar lebt mit seiner Frau Hilde ebenfalls in den USA.
 
Als im Jahr 2000 das Museum „Mikrokosmos Cronheim – ein Dorf und drei Religionen“ eingeweiht wurde, waren Selmar Hubert aus New York und seine Frau Hilde Ehrengäste der Stadt Gunzenhausen. Selmar Hubert und Emmy Mogilensky haben ihre Erlebnisse während der Zeit der Vertreibung und der Auswanderung aufgeschrieben. Die New York Times berichtete am 10. Februar 2008, wie Selmar Hubert in den USA sich schämenden deutschen Schülern am Beispiel seiner eigenen schlimmen Cronheimer Kindheitserinnerungen aufzeigt, dass man sich gegenseitig helfen kann, die Schuld zu überwinden.

"Altmühl-Bote", Gunzenhausen © Werner Falk
Hilde und Selmar Hubert in Cronheim © Werner Falk

Artikel als PDF-Datei (218 kB) zum Herunterladen:
New York Times - Hubert, Selmar (EN)
New York Times - Hubert, Selmar (DE)

Dankenswerterweise erhielten wir im Februar 2021 von Herrn Mark Rabideau detaillierte Informationen über die Lebensläufe aller Mitglieder der Familie Hubert.

Er schrieb: "Ich bin mit der Familie Hubert nicht verwandt. Judah Mogilensky (seine Mutter war Emma Hubert) war 25 Jahre lang mein Geschäftspartner. Wir werden immer Freunde bleiben."

Klicken Sie dazu auf die unten stehenden Links.